Filmplakat: Entgleist (1921)

Dieses Filmplakat für "Entgleist" (basierend auf dem Roman "Die nicht arbeiten wollen" von Hans Hyan) zeichnet sich durch einen expressionistischen Stil aus, der typisch für die späten 1920er und frühen 1930er Jahre ist.

Visuelle Analyse:

• Farbgebung: Das Plakat verwendet eine dramatische Farbpalette mit starken Kontrasten. Ein tiefes Schwarz bildet den Hintergrund und hebt die leuchtenden Farben der Figur und des Titels hervor. Die Figur ist in Gelb-, Grün- und Rosatönen gehalten, was ihr ein fast unwirkliches, fiebriges Aussehen verleiht. Die Farben sind nicht naturalistisch, sondern expressiv eingesetzt, um Emotionen zu vermitteln.
• Figur: Im Zentrum des Plakats sitzt eine Frau, deren Körperhaltung und Gesichtsausdruck Verzweiflung, Angst oder tiefe Sorge ausdrücken. Ihre Hände sind vor ihr Gesicht gehoben, die Augen sind weit aufgerissen und blicken ins Leere. Die geschwungenen Linien ihrer Kleidung und Haare verstärken den dramatischen und emotionalen Eindruck. Die Darstellung erinnert an die Ästhetik des deutschen Expressionismus im Film, wie sie in Werken wie "Das Cabinet des Dr. Caligari" zu sehen ist.
• Typografie: Der Filmtitel "ENTGLEIST" ist in einer auffälligen, serifenbetonten Schriftart gesetzt, die ebenfalls zum dramatischen Charakter des Plakats beiträgt. Die weiteren Texte, wie der Romanautor und die Kinoangaben ("MARMORHAUS", "KURFÜRSTENDAMM 236", "DIR. SIEGBERT GOLDSCHMIDT"), sind kleiner und ordentlicher platziert, aber dennoch gut lesbar.
• Komposition: Die Komposition ist asymmetrisch, mit der Figur, die den rechten Teil des Plakats dominiert. Der dunkle Hintergrund und die Platzierung der Figur erzeugen eine klaustrophobische oder isolierte Atmosphäre.

Interpretation und Kontext:

Der Titel "Entgleist" und der Ausdruck der dargestellten Frau deuten auf ein Drama oder eine Tragödie hin, möglicherweise über eine Person, die den gesellschaftlichen oder persönlichen Erwartungen nicht mehr gerecht wird oder aus der Bahn geraten ist. Der Roman von Hans Hyan, "Die nicht arbeiten wollen", könnte auf ein Thema der Arbeitslosigkeit, des sozialen Abstiegs oder der Verweigerung gesellschaftlicher Normen hindeuten.

Der expressionistische Stil des Plakats spiegelt die künstlerischen und gesellschaftlichen Strömungen der Weimarer Republik wider, einer Zeit großer sozialer Umbrüche, wirtschaftlicher Unsicherheit und künstlerischer Experimente. Die Darstellung der Frau kann als Symbol für die Ängste und Nöte der Zeit interpretiert werden.

Das "Marmorhaus" war ein bekanntes Kino in Berlin, was auf die ursprüngliche Aufführung des Films in diesem prestigeträchtigen Haus hinweist. Die Signatur "J. Fenneker" deutet auf den Künstler Julius Fenneker hin, einen bekannten Plakatgestalter dieser Ära, der für seine ausdrucksstarken und oft düsteren Filmplakate bekannt war.

Insgesamt vermittelt das Plakat eine starke emotionale Botschaft und nutzt die Stilmittel des Expressionismus, um die dramatische Natur des Films anzukündigen.

Schlagworte: Expressionismus, Angst, Verzweiflung, Gelb, Blau, Schwarz

Image Describer 08/2025